Wandel der Wiener Wohnbedingungen im Spiegel des MikrozensusThemenstellung und Methode der StudieDas vorliegende Forschungsvorhaben untersucht anhand von Daten der entsprechenden Jahrgänge des Mikrozensus, wie sich die Wohnbedingungen in der Bundeshauptstadt zwischen den Jahren 1996 und 2006 verändert haben. Im einzelnen stehen folgende Themenstellungen im Zentrum der Untersuchung:
- Entwicklung der Strukturen des Wohnungsbestands im Hinblick auf Rechtsver-hältnis und Baualter der Wohnungen
- Entwicklung der Bewohnerstrukturen (Haushaltstypen und sonstige sozio-ökonomische Indikatoren) bei den wichtigsten Wohnungstypen
- Entwicklung der Wohnungsmieten in den verschiedenen Mietwohnungssektoren anhand der Angaben zum monatlichen Wohnungsaufwand
Ein vierter Themenschwerpunkt ist das Ausmaß der Wohnmobilität, gemessen anhand der Angaben zum Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrages. Hier ist allerdings auf Basis des Mikrozensus keine Entwicklung beschreibbar, da 1996 noch keine diesbezüglichen Daten erhoben wurden. Ersatzweise werden daher im Kontext des vierten Themenschwerpunktes ergänzend zu den Daten des Mikrozensus auch einige Ergebnisse aus den vom SRZ in Kooperation mit dem IFES in den neunziger Jahren durchgeführten Erhebungen zur Wohnsituation und Wohnungsnachfrage der Haushalte herangezogen.
Wenn auch im Zentrum aller Fragestellungen der folgenden Untersuchung die Situation in Wien steht, so beschränken sich doch die Datenanalysen nicht auf das Gebiet der Bundeshauptstadt. Um den wohnwirtschaftlichen und sozio-ökonomischen Stellenwert der in Wien zu beobachtenden Trends korrekt einschätzen zu können, werden die für Wien erzielten Ergebnisse den jeweiligen Resultaten für fünf weitere Vergleichsgebiete gegenübergestellt. Es handelt sich dabei um
- die anderen österreichischen Großstädte (mehr als 100.000 Einwohner)
- die Mittelstädte (50.000 bis 100.000 Einwohner)
- das Umland Wiens
- die Umländer der anderen Großstädte
- alle übrigen Gebiete Österreichs
Wichtigste ErgebnisseDie Entwicklung der sektoralen Strukturen des Wohnunbsbestands ist in Wien zwischen 1996 und 2006 durch vier Haupttrends gekennzeichnet:
- Die am Beginn des Untersuchungszeitraums sehr geringe Anzahl an Wohnungen des Ein- und Zweifamilienhaussektors steigt stärker an als in den übrigen Großstädten, wobei jedoch der Anteil des genannten Wohnungstyps nur leicht wächst.
- Die Nutzerstruktur der Eigenheime entwickelt sich in Wien gegenläufig zu der aller übrigen Vergleichsgebiete: Während dort der Anteil der Selbstnutzung durch den Eigentümer fällt, steigt er in Wien an.
- Anzahl und Anteil der Eigentumswohnungen wachsen in Wien stärker als in sämtlichen anderen Vergleichsgebieten.
- Der Mietwohnungssektor ist in Wien im Vergleich zu den übrigen Groß- und Mittel-städten sehr groß und anders strukturiert (größere Anteile von privaten sowie kommunalen Mieten und verringerter Anteil von gemeinnützigen Mieten). Im Gegensatz zu den anderen Ballungszentren nimmt der Gesamtumfang des Mietensektors in Wien nur wenig zu, wobei es innerhalb dieses Sektors zu einer Anteilszunahme der von den Gemeinnützigen verwalteten Mietwohnungen kommt.
Die sonstigen Strukturmerkmale des Wiener Wohnungsbestands unterliegen im Untersuchungszeitraum drei hauptsächlichen Veränderungen:
- Die Baualterstruktur verschiebt sich im Einklang mit den Trends in den übrigen Vergleichsgebieten deutlich zu den jüngeren Baualtern hin.
- Der Anteil der schlecht ausgestatteten Wohnungen (Kategorie D) sinkt ausgehend von einem sehr hohen Niveau im Jahr 1996 bis 2006 stärker als in den übrigen Groß- und Mittelstädten.
- Die Belagsdichte ist am Beginn des Untersuchungszeitraumes in Wien und in den übrigen Großstädten höher als im übrigen Österreich. Durch ein geringes Wachstum der pro Person verfügbaren Wohnfläche steigt der diesbezügliche Rückstand von Wien und den übrigen Großstädten auf die anderen Untersuchungsgebiete bis 2006 weiter an. Ursache dieser Entwicklung ist die in den großstädtischen Ballungsräumen verstärkt zum Tragen kommende Bodenknappheit, welche zu einem entsprechend stärkeren Anstieg der Bodenpreise führt und damit zu sparsamerem Umgang mit dem Qualitätsfaktor "Wohnnutzfläche" zwingt.
Die Haushaltsstrukturen der wichtigsten Wohnsektoren der Bundeshauptstadt weisen am Beginn des Untersuchungszeitraumes folgende Charakteristik auf:
- Der Prozentsatz der jüngeren Singles ist im Jahr 1996 bei privaten und gemeinnützigen Mietwohnungen am größten.
- Der Anteil der Paare mit Kindern erreicht im Eigenheimsektor und bei den gemeinnützigen Mietwohnungen die höchsten Werte.
- Die Quote der Seniorenhaushalte ist im Eigentümersektor und bei den Gemeindewohnungen wesentlich höher als bei den privaten Mietwohnungen.
Die Untersuchung der zwischen 1996 und 2006 in Wien zu beobachtenden Entwicklung zeigt vier Hauptunterschiede zwischen den Wohnsektoren:
- Bei den kommunalen und vor allem bei den gemeinnützigen Mietwohnungen ist der Anteilszuwachs der jüngeren Singles stärker als bei den privaten Mietwohnungen und im Eigentümersektor.
- Die Quote der Seniorenhaushalte bleibt im Eigentümersektor konstant, fällt bei den kommunalen Mietwohnungen leicht sowie bei den privaten Mieten deutlich und steigt nur bei den Mietwohnungen der Gemeinnützigen an.
- Der Anteil der AlleinerzieherInnen geht bei privaten und kommunalen Mieten etwas zurück, während er bei den gemeinnützigen Mieten leicht steigt.
- Der Anteil der Familien mit Kindern verändert sich nur in einem einzigen Fall dramatisch. Es handelt sich dabei um die Mietwohnungen der Gemeinnützigen, wo ein Rückgang um 8 Prozentpunkte vorliegt.
Aus dem Bereich der übrigen sozio-ökonomischen Indikatoren seien hier drei wichtige Detailergebnisse aus der Bundeshauptstadt erwähnt:
- Vor dem Hintergrund eines generell steigenden Bildungsniveaus können die Gemeindemieter ihren 1996 noch sehr starken Bildungsrückstand auf die Bewohner der übrigen Wohnsektoren bis zum Jahr 2006 verringern.
- Während im Bereich der privaten Mieten zwischen 1996 und 2006 der Anteil der arbeitslosen HaushaltsrepräsentantInnen deutlich zunimmt, liegt bei den Gemeindewohnungen nur ein schwacher Anstieg des Vergleichswerts vor.
- Ausgehend von sehr niedrigen Anteilswerten im Jahr 1996 steigt der Anteil von nichtösterreichischen StaatsbürgerInnen an den HaushaltsrepräsentantInnen bei kommunalen und gemeinnützigen Mietwohnungen stärker an als im Eigentümersektor und bei privaten Mietwohnungen.
Die Untersuchung der Wohnmobilität zeigt in der Bundeshauptstadt ein geringeres Mobilitätsniveau an als in sämtlichen übrigen Vergleichsgebieten. Die Ursache dafür liegt darin, daß die privaten Mietwohnungen in Wien in verstärktem Ausmaß unbefristet vergeben werden. Dies dürfte damit zu erklären sein, daß es sich bei besagtem Wohnungstyp in Wien seltener um vermietete Eigentümerwohnungen handelt.
Die Untersuchung der Wohnungsmieten macht im Hinblick auf die im Jahr 2006 gegebenen Mietenrelationen folgendes deutlich:
- In den meisten Vergleichsgebieten, darunter auch in Wien, sind die Mieten (inklusive Betriebskosten, ohne Energiekosten) im privaten Sektor am teuersten und im kommunalen Sektor am billigsten.
- Wien unterscheidet sich von den übrigen Großstädten dadurch, daß hier bei einem (im Vergleich zu den übrigen Großstädten) relativ niedrigen Niveau der privaten Mieten die geringsten Preisdifferenzen zwischen den drei Mietsegmenten bestehen. Diese relativ schwache Preissegmentierung des Wiener Mietwohnungsmarktes ist Folge einer mengenmäßig ausreichenden Versorgung mit gemeinnützigen und kommunalen Mietwohnungen.
- Die bei erst kurze Zeit dauernden Mietverhältnissen auftretende Mehrbelastung der Mieter schlägt in allen Vergleichsregionen (insbesondere aber in den Großstädten) bei den privaten Mieten stärker zu Buche als bei kommunalen und gemeinnützigen Mietwohnungen. In Wien ist die Mehrbelastung der Kurzzeitmieter des privaten Sektors noch viel stärker ausgeprägt als in den übrigen Großstädten.
Die Analyse der im Untersuchungszeitraum zu beobachtenden Mietenentwicklung hat vier Hauptergebnisse:
- Im Gesamtzeitraum zwischen 1996 und 2006 sind die Mieten (sowohl inklusive als auch ohne Betriebskosten) in Wien, vor allem aber in dessen Umland stärker gestiegen als in den übrigen Groß- und Mittelstädten.
- Seit dem Jahr 2004 hat sich die Dynamik der Nettomieten (ohne Betriebskosten) im Bereich der Bundeshauptstadt und deren Umland deutlich verstärkt.
- In Wien sind die Differenzen zwischen den sektorspezifischen Mietenanstiegen geringer als in den übrigen Vergleichsgebieten. Dies ist eine Bestätigung für die bereits oben konstatierte schwache preisliche Segmentierung des Wiener Woh-nungsmarktes.
- Im Unterschied zu den Bundesländergroßstädten ist in Wien der Kostenanstieg im kommunalen Sektor etwas geringer als jener bei den privaten Mietwohnungen.