Wohnzufriedenheit und Wohnqualität in WienEine Sonderauswertung von "Leben und Lebensqualität in Wien II"Wie aus den Ergebnissen der Erhebung zu "Leben und Lebensqualität in Wien II" (LLIW II) hervorgeht, ist bei der Wiener Bevölkerung sowohl die subjektive Wohnzufriedenheit als auch die objektive Wohnqualität in den letzten Jahren gestiegen. Der Vergleich mit den Ergebnissen der bereits 1995 durchgeführten Erhebung ("Leben in Wien", LIW I) zeigt eine Verbesserung insbesondere bei der objektiven Qualität des Wohnangebotes. Zugleich kann eine höhere Wohnzufriedenheit in verschiedenen Detailaspekten festgestellt werden, wie etwa der Zufriedenheit mit der Lage der Wohnung. Dieses Ergebnis veranlasste zu der Fragestellung, was zum Anstieg der Wohnzufriedenheit geführt hat und welche sozialen Gruppen von der Verbesserung der objektiven Wohnqualität profitiert haben.
Im Auftrag der MA 50 - Referat Wohnbauforschung führte SORA eine Sonderauswertung der beiden Datensätze (LIW I und LLIW II) durch, welche diese Fragestellungen in zwei Modulen behandelt und in weiterer Folge daraus Schlussfolgerungen für die Wohnraumpolitik ableitet.
Der erste Teil der Studie "Wohnzufriedenheit und Wohnqualität in Wien" befasst sich mit der Frage nach der Struktur der Wohnzufriedenheit und der diesbezüglichen Veränderung zwischen 1995 und 2003. Es umfasst ein Pfadmodell zur Wohnzufriedenheit auf Grundlage des LLIW II. Das Modell ist eine Weiterentwicklung des Messmodells der Wohnzufriedenheit, das im Rahmen der SORA-Studie "Wohnzufriedenheit in Wien", (Edith Enzenhofer, Günther Ogris, Christoph Hofinger), 1999: Wohnzufriedenheit in Wien, Studie im Auftrag der MA 50, unveröffentlichter Projektbericht. Wien, Jänner 1999, erstellt wurde. Anschließend wird ein Modell beschrieben, das unter Einbeziehung der Wohnzufriedenheit und diese beeinflussender Faktoren (wie Lärmbelästigung, Sicherheitsempfinden u.ä.) die Bindung an das Wohngebiet erklären soll (Modul 1).Der zweite Teil dieser Studie "Wohnqualität, soziale Gerechtigkeit und Integration" befasst sich mit der Frage, welche sozialen Gruppen von diesen Verbesserungen profitiert haben und welche keinerlei Verbesserung ihrer Wohnqualität erreichen konnten. Der Schwerpunkt der Betrachtung liegt dabei auf der "objektiven" Wohnqualität und somit auf der Ausstattung der Wohnungen, der Ausstattung der Wohnhäuser bzw. -anlagen und auf der Qualität der Wohnumgebung.
Die im Rahmen dieser Studie gestellte Frage zielt auf die soziale Gerechtigkeit in Bezug auf das Wohnen und die Veränderungen in den letzten Jahren ab. Dazu wird die Wohnsituation verschiedener Haushaltstypen (armutsgefährdeten Alleinerzieherinnen, alleinstehende Frauen ab 60 Jahren, kinderreichen Familien, DINKs - "double income, no kids") sowie ausgewählter Bevölkerungsgruppen verglichen.
Der Wohnsituation von MigrantInnen wird in dieser Studie ein besonderer Stellenwert eingeräumt. Dabei wird versucht, der Heterogenität der MigrantInnen Rechnung zu tragen, indem nicht ausschließlich nicht-österreichische StaatsbürgerInnen, sondern auch bereits eingebürgerte Personen berücksichtigt werden (Modul 2).
Ergebnisse Zufriedenheit mit dem Wohnen Die Wohnzufriedenheit in Wien war bereits 1995 in vielen Aspekten sehr hoch, sie ist bis zum Jahr 2003 in Teilaspekten weiter gestiegen. Verbessert hat sich vor allem die Zufriedenheit mit der Wohnungsgröße, der Lage der Wohnung und dem Ansehen des Wohnviertels. Allerdings stagnierte die Zufriedenheit mit der Preiswürdigkeit der Wohnungen im Vergleich der Jahre 1995 und 2003. Im selben Zeitraum ist die Preiswürdigkeit der Wohnungen den WienerInnen aber wichtiger geworden - das heißt, dass Veränderungen in der Preiswürdigkeit sich 2003 stärker auf die Gesamtzufriedenheit auswirken als 1995.
Bindung an das Wohngebiet Die Wohnzufriedenheit ist ausschlaggebend für die Bindung an das Wohngebiet. Die beiden Merkmale der Wohngegend Sauberkeit des Wohnumfelds (Luftqualität, Straßenreinigung und Müllentsorgung) und Lärmfreiheit des Wohnumfelds (Lärmbelästigung bei Tag und bei Nacht) haben den größten Einfluss auf die Wohnzufriedenheit.
Aus dem Mess- und Strukturmodell geht hervor, dass die Zufriedenheit mit der Lage in der Stadt den weitaus stärkeren Effekt auf die Bindung an das Wohngebiet hat als die Zufriedenheit mit Preis und Größe der Wohnung selbst.
Je besser das Ansehens und die allgemeine Lage des Wohngebiets und je größer das Ruhe- und Erholungspotenzial ist desto lieber leben die WienerInnen im eigenen Wohngebiet. Preis oder Größe der Wohnung stehen an zweiter Stelle, wenn es um die Bindung an das Wohngebiet geht.
Wer profitierte von den Qualitätssteigerungen? Die Wohnsituation hat sich für alle analysierten Gruppen im Jahr 2003 gegenüber 1995 verbessert. Profitiert haben sowohl armutsgefährdete Haushalte als auch finanziell besser gestellte Haushalte - wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß.
Die Ergebnisse zeigen, dass armutsgefährdete Personen mit nicht-österreichischer Staatsbürgerschaft die größten Steigerungen bei der "objektiven Wohnqualität" erreicht haben, allerdings immer ausgehend vom niedrigsten Niveau. Trotz der überdurchschnittlichen Wohnqualitätsverbesserung hat diese Gruppe immer noch eine schlechtere Ausstattung der Wohnung sowie der Wohnanlage und mindere Wohnumgebungsqualität als nicht armutsgefährdete gebürtige ÖsterreicherInnen und armutsgefährdete Eingebürgerte.
Die Analyse der Ergebnisse in Hinblick auf Qualität und Gerechtigkeit zeigt, dass für verschiedene Qualitätsmerkmale im Zeitraum zwischen 1995 und 2003 drei Arten von Prozessen verzeichnet werden können:
Soziale Aufholprozesse Untere Einkommensschichten haben stärkere Wohnqualitätsgewinne als höhere Einkommensschichten. Hierbei handelt es sich um Indikatoren wie Aufzug, Lärmschutzfenster, etc.
Parallele Qualitätssteigerungen Alle Einkommensschichten haben einen durchschnittlichen oder nur leicht vom Durchschnitt abweichenden Anstieg in der Wohnqualität. Bei diesen Indikatoren handelt es sich vor allem um anlagenbezogene Indikatoren, Kinderspielraum, etc.
Soziale Ausdifferenzierung Untere Einkommensschichten profitieren von den Qualitätssteigerungen weniger als obere Einkommensschichten.
- Jüngere armutsgefährdete Personen (bis 29 Jahre) zahlen heute mehr als früher für das Wohnen. Gleichzeitig haben sie von allen Gruppen den geringsten Anstieg bei der Wohnfläche pro Person bzw. bei den Wohnräumen pro Person.
- Armutsgefährdete AlleinerzieherInnen hatten 2003 weniger Quadratmeter zur Verfügung als die vergleichbare Gruppe 1995.
- Die stärksten Steigerungen in Quadratmeter pro Person und Wohnräumen pro Person hatte das vierte Einkommenquintil - also nicht das reichste Fünftel der Gesellschaft sondern die zweitwohlhabenste Gruppe.