Brandverhalten von Grünfassaden in großmaßstäblichen VersuchenHintergrund und ProblemdefinitionBegrünungsmaßnahmen, im speziellen Fassadenbegrünungen, rücken gerade für Großstädte wie Wien immer mehr in den Fokus. Der globale Klimawandel trifft ganz besonders Ballungsräume, da durch das Versiegeln der Flächen (dies wiederum begründet mit steigender Populationsdichte und dem damit verbundenen Flächenbedarf) die Hitzekumulation im städtischen Bereich groß ist.
Die Stadt Wien hat diese Tendenz schon früh erkannt. Seit fast 20 Jahren beschäftigt sich die Wiener Umweltschutzabteilung (MA 22) mit der Thematik Hitze in der Stadt in Form von grundlegenden Studien, strategischen Papieren und einer aktiven Informationsarbeit.
Einigkeit besteht auf breiter Ebene darüber, dass mehr städtische grüne Infrastruktur (z.B. Parks) oder blaue Infrastruktur (z.B. offene Wasserflächen, Bäche) zu einer Verbesserung der Situation führen. Gerade jedoch Frei- und Grünräume stehen durch den steigenden Bedarf von Grund und Boden, durch die Erhaltungskosten und zum Teil auch durch die geringe Akzeptanz gegenüber grüner Infrastruktur unter Druck. Diesem kann großteils entgangen werden, wenn bereits bestehende ebenso wie gerade neu geschaffene Gebäude an Dach und Fassade begrünt werden.
Als einer der Hemmschuhe für Fassadenbegrünungen wird oft der Brandschutz genannt, da grundsätzlich angenommen wird, dass Pflanzen brennen und da immer wieder über Brandfälle unter Beteiligung von Fassadenbegrünungen berichtet wird, das Brandverhalten derselben in großmaßstäblichen Versuchsanordnungen jedoch noch weitestgehend unbekannt ist.
ZielsetzungZiel dieser Studie ist es daher, zunächst zu recherchieren, inwieweit das Brandverhalten von Fassadenbegrünungen erforscht ist und in weiterer Folge unterschiedliche, übliche Fassadenbegrünungspflanzen großmaßstäblichen Brandversuchen auszusetzen und deren Verhalten zu beobachten, um im Idealfall eine Pflanzenliste erstellen zu können mit Pflanzen, die beim angenommenen Brandszenario nicht zur Entzündung gebracht werden können und solchen bei denen dies der Fall ist.
Auf Basis dieser Einteilung könnten dann in weiterer Folge die entsprechenden Brandschutzmaßnahmen formuliert werden, um die nationalen österreichischen Schutzziele zum Brandschutz bei Fassaden zu erreichen.
Von Anfang an war klar, dass sich diese Studie auf das Brandverhalten von bodengebundenen Fassadenbegrünungen beschränken muss, da die fassadengebundenen Systeme derart vielfältig sind, dass nicht aus einigen wenigen Brandversuchen auf die Gesamtheit der Systeme geschlossen werden kann.
MethodikWie zuvor erwähnt, basiert die Arbeit auf einer breiten Literaturrecherche zum Thema, die - wie sich in weiterer Folge zeigen wird - wenig ergiebig war.
Für die großmaßstäblichen Brandversuche wurde ein Brandszenario in Anlehnung an ÖNORM B 3800-5 (Brandverhalten von Baustoffen und Bauteilen, Teil 5: Brandverhalten von Fassaden - Anforderungen, Prüfungen und Beurteilungen) gewählt. Als angenommenes Szenario dient ein Vollbrand in einem Raum, der aus einem Fenster ausbricht und die anliegende Fassade angreift. Zur Beurteilung wird jener Beitrag zur Brandausbreitung herangezogen, den die gegenständliche Fassadengestaltung (Form, Baustoffe, Montagesysteme u. a.) zusätzlich zur stets vorhandenen Ausbreitung bietet. Als Brandlast wird dabei eine 25 kg schwere Fichtenholzkrippe verwendet.
Beurteilungskriterien sind dabei
- die Brandausbreitung entlang der Fassadenbegrünung und
- das Abfallen großer und/oder brennender Teile der Fassade.
Insgesamt wurden vier Großbrandversuche mit unterschiedlichen, jedoch für Fassadenbegrünungen in Wien typischen Pflanzen (Hedera helix (Efeu), Akebia (Fingerblättrige Akebie), Hydrangea (Kletterhortensie), Parthenocissus (Wilder Wein), Wisteria (Blauregen)) durchgeführt, wobei bei drei dieser Versuche die Pflanzen mechanisch auf einer metallischen Rankhilfe und bei einem der Versuche mechanisch direkt auf dem Prüfstand montiert waren.
ErgebnisseEs zeigte sich, dass grundsätzlich alle getesteten Pflanzen im Großbrandversuch zu einer vertikalen Brandweiterleitung beitragen, indem sie strohfeuerartig in kurzer Zeit (wenige Sekunden) nach oben hin wegbrennen und zum Teil weiterglimmen.
Prinzipiell ist eine Entzündung der Blätter zu erkennen, ein Mitbrand der verholzten Triebe ist nicht bzw. nur in sehr geringen Ausmaß in der Nähe der Brandkammer, also im Bereich der höchsten Temperaturen von ca. 850 °C bis 900 °C, zu erkennen. Als Ursache dafür wird der Gehalt an ätherischen Ölen in den Blättern vermutet, nachdem bei der Prüfung kein Totholz vorlag.
Werden die Pflanzen erst in einem Abstand von 60 cm oberhalb der Brandkammer (= simuliertes Fenster) montiert, so ist der „Strohfeuereffekt“ bereits vermindert, bei einem Abstand von 1,0 m ist keine Entzündung der Fassadenbegrünung zu beobachten, die kritische Temperatur scheint bei ca. 500 °C bis 550 °C liegen – das ist jene Temperatur, die bei den Versuchen in genau dieser Höhe 10 cm vor der Fassadenbegrünung gemessen wurde. Eine vertikale Brandweiterleitung war bei keinem der Versuche zu beobachten. Die Sekundärbrandgefahr durch abfallende, brennende Teile war ebenfalls nicht gegeben. Die metallische Rankhilfe trägt in keinem Fall zur Brandweiterleitung bei, sie hält dem Brandszenario stand ohne abzufallen.
Dadurch ergeben sich für künftige Anwendungen von Fassadenbegrünungen folgende richtungsweisende Erkenntnisse:
- Bei Gebäuden bis zur Gebäudeklasse 3 (vgl. 3 Geschoße) sind keine Nachweise hinsichtlich der Brandweiterleitung bzw. spezielle Brandschutzmaßnahmen erforderlich.
- Bei höheren Gebäudeklassen sind nichtbrennbare Rankhilfen (z.B. aus Metall) einzusetzen; es können – je nach verwendeter Pflanzenart - zusätzliche Brandschutzmaßnahmen (z.B. geschoßweise Brandsperren) notwendig sein. Abstandsregelungen für die Anbringung einer Fassadenbegrünung sind zu formulieren – ein Vorschlag dazu befindet sich am Ende der Langfassung der Studie.
- Bei höheren Gebäudeklassen ist für das verwendete fassadengebundene System (exkl. Pflanzen) ein positiver Prüfbericht nach ÖNORM B 3800-5 bzw. ein passender anderer Nachweis vorzulegen. Die Systeme sind dann entsprechend den positiv geprüften Details aufzubauen.
- Fassadenbegrünungen sind zu pflegen und in einem vitalen, funktionalen Zustand zu erhalten (Bauwerksbuch, eindeutige Regelung der Zuständigkeit für Pflege und Erhaltung der Begrünung). Erforderliche Pflegemaßnahmen sind bereits in der Planung zu berücksichtigen und gegebenenfalls im Bauwerksbuch festzuhalten.