Berichtsstandard Wohnbauförderung 2023
Die Wohnbauförderung ist eines der sozial-, wirtschafts- und umweltpolitisch wichtigsten Politikinstrumente auf Ebene der Bundesländer. Es zeigt sich, dass besonders fruchtbare Impulse für die Weiterentwicklung des Instruments von der Kenntnis seiner Anwendung in anderen Bundesländern und in anderen Staaten ausgehen können. Das „Lernen von den Besten“ stößt allerdings insofern an Grenzen, als sich die Förderungsmodelle tendenziell immer weiter differenzieren und nur wenig vergleichende Information verfügbar ist.
Die Stadt Wien hat es sich zur Aufgabe gemacht, unter Heranziehung des IIBW, Institut für Immobilien, Bauen und Wohnen GmbH, die Praxis und Gebarung der Wohnbauförderung in Österreich zu dokumentieren. Mit dem vorliegenden „Berichtsstandard Wohnbauförderung“ wurde ein Vehikel geschaffen, das es Politik und Administration erleichtert, die eigene Performance im Vergleich zu positionieren und Verbesserungsmöglichkeiten zu identifizieren. Der „Berichtsstandard Wohnbauförderung“ gibt einen knappen, präzisen und aktuellen Überblick über die Förderungsaktivitäten aller Bundesländer und positioniert gleichzeitig das Bundesland Wien im Ländervergleich. Der IIBW-Berichtsstandard Wohnbauförderung bietet eine Dichte an Informationen zu diesem Politikbereich, wie sie sonst nirgends verfügbar ist. Durch die langjährige intensive Befassung mit dem System und der Statistik der Wohnbauförderung verfügt das IIBW über die österreichweit beste Datenbasis in diesem Bereich. Viele der in diesem Bericht versammelten Daten sind einzig hier dokumentiert.
Hauptergebnisse
Bevölkerungsprognose stabil, gute Wohnversorgung
Österreich zeigt die im Vergleich zu den Nachbarländern (außer der Schweiz) stärkste Bevölkerungs-entwicklung. Auch in den Zeiten der Pandemie legte die Bevölkerung kräftig zu. 2022 kam es, bedingt durch den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine, zu einem Wachstumsschub um über 100.000 Per-sonen. Auch für 2023 wird ein starker Anstieg um fast 80.000 Menschen erwartet. Der Zuwachs entfällt überproportional auf die Bundeshauptstadt. Gleichzeitig zeigen viele Indikatoren eine trotz der Krise sehr gute Wohnversorgung der Bevölkerung. Die Wohnkosten und der Anteil des Haushaltseinkommens, den der Durchschnittshaushalt für Wohnen aufzuwenden hat, nähern sich zwar dem EU-Durchschnitt an, liegen aber dennoch unter dem Niveau der Mehrzahl der Nachbarländer, vor allem jenen mit ähnlich großen Mietwohnungsbeständen.
Turbulente Entwicklungen in der gesamten Wertschöpfungskette
Die Wohnungsmarktdynamik hat sich nach extremen Steigerungen der Wohneigentumspreise mit Höchstwerten von bis zu +15% im Jahresabstand (4. Quartal 2021 und 1. Quartal 2022) beruhigt und ist seit dem 2. Quartal 2023 negativ. Ausschlaggebend für diese turbulente Entwicklung sind der über-mäßige Anstieg der Baupreise, die massive Erhöhung des Kapitalmarktzinssatzes und die seit 8/2022 geltenden Belehnungsregeln für Hypothekarkredite (KIM-Verordnung). Die Immobilien- und Bauwirt-schaft ist aufgrund des Einbruchs bei den Neubauzahlen und dem Zinsanstieg massiv unter Druck. Eine Insolvenzwelle steht bevor, mit noch unabsehbaren Folgen auch für Wohnversorgung und Beschäftigung.
Einbruch des Wohnungsneubaus
Nach Höchstständen von österreichweit über 85.000 baubewilligten Wohnungen 2017 und 2019 hat ein scharfer Einbruch der Bauleistung eingesetzt. Die Baubewilligungszahlen haben 2022 die Marke von 60.000 (neue Wohnungen in neuen und bestehenden Gebäuden) unterschritten. Für 2023 ist ein Rück-gang auf etwa 40.000 Einheiten und somit eine Halbierung gegenüber 2019 zu erwarten. Die bisher hohen Bewilligungszahlen wirken sich zeitverzögert als Fertigstellungen am Wohnungsmarkt aus. Österreichweit wurde 2022 mit über 78.000 Einheiten der höchste Wert seit Jahrzehnten erreicht. Ein massiver Einbruch steht allerdings unmittelbar bevor. Gemäß IIBW-Prognose wird der Output 2025 bei deutlich unter 50.000 neuen Wohnungen liegen.
Erosion der Förderungsausgaben
Zwischen 1996 und 2016, somit zwanzig Jahre lang, machten die Wohnbauförderungsausgaben der Länder konstant zwischen € 2,4 und 3 Mrd. aus, allerdings ohne Anpassung an Inflation, Steueraufkom-men oder Wirtschaftsleistung. Seither sinken sie stark. 2019 unterschritten sie erstmals seit fast 30 Jahren die 2-Milliarden-Grenze, 2022 war es mit unter € 1,9 Mrd. noch einmal weniger und -14% unter dem zehnjährigen Durchschnitt. Ein Gegengewicht bildete die Sanierungsförderung des Bundes, die mit über € 460 Mio. ein nie dagewesenes Volumen erreichte und fast mit jener der Länder gleichzog. Die wohnungsbezogenen Ausgaben des Staates machen damit 0,5% des Brutto-Inlandsprodukts aus. Damit liegt Österreich weiterhin deutlich unter dem OECD-Durchschnitt. Ende der 1990er Jahre lag dieser Wert noch bei 1,3%. Zurückzuführen ist dies auf ein anhaltend niedriges Niveau in fast allen Förderungsschienen der Länder. Die Ausgaben für die großvolumige Neubau- und die Sanierungsförde-rung waren zwar etwas höher als im Vorjahr, aber um -17% bzw. -5% unter dem langjährigen Durchschnitt. In der Subjektförderung setzte sich der negative Trend der Vorjahre ebenso fort wie in der Förderung des Eigenheims (-17%/-23% zum zehnjährigen Durchschnitt). 2022 waren die Rückgänge noch dadurch erklärlich, dass sich etliche Bundesländer die historisch niedrigen Kapitalmarktzinsen durch entsprechende Förderungsmodelle zunutze gemacht haben. Demgemäß brachten die stark ge-stiegenen Baupreise und die seit Mitte 2022 stark gestiegenen Kapitalmarktzinsen die Länder unter großen Druck. Die Anpassung an die neuen Realitäten bei Baupreisen und Zinsen führt in der Mehrzahl der Länder zu aktuell sehr geringen Förderungsaktivitäten. Dies ist insofern besorgniserregend, als auch der freifinanzierte Markt eingebrochen ist.
Wie hoch sind die Spielräume der Wohnbauförderung?
Mit den geänderten Kapitalmarktbedingungen sollte die Finanzierungsfunktion der Wohnbauförderung wieder in den Vordergrund treten. Dafür benötigt sie allerdings finanzielle Spielräume. Zweckzuschüsse stehen seit Ende der 2000er Jahre nicht mehr zur Verfügung. Dafür gewinnen die Rückflüsse aus aus-haftenden Darlehen wachsende Bedeutung. Mit dem Finanzausgleich 2018 wurde der Wohnbauförde-rungsbeitrag in Höhe von 1% der Lohnsumme, das sind mittlerweile ca. € 1,3 Mrd., in eine Länderab-gabe umgewandelt. Gleichzeitig summieren sich die Rückflüsse aus ausstehenden Darlehen auf mittler-weile € 1,4 Mrd. Der Mehrzahl der Bundesländer gelingt es mittlerweile, mit diesen beiden Komponenten ihre Wohnbauförderungsausgaben zu bestreiten, aber nicht allen. Im aktuellen Finanzausgleich scheint die Wohnbauförderung zwar Berücksichtigung zu finden, v.a. hinsichtlich Maßnahmen zur Erreichung der Klimaziele. Die vielfach geforderte Wiedereinführung der Zweckbindung der genannten Ertragskom-ponenten stand aber nicht zur Debatte.
Stark rückläufige Förderungszusicherungen
Nach einem Einbruch der Förderleistung 2021 gegenüber dem Vorjahr um -20% ging sie 2022 um noch einmal -6% auf 17.600 zugesicherte Wohneinheiten zurück. Darin enthalten sind auch etwas über 2.000 neue Wohnungen, die im Rahmen der Sanierungsförderung zugesichert wurden. Die Förderleistung liegt damit um ein Drittel unter dem zehnjährigen Durchschnitt. Die 13.800 geförderten Geschoßwohnun-gen bedeuten einen Rückgang um -35% gegenüber dem langjährigen Durchschnitt. In keinem der Bundesländer lag die großvolumige Neubauförderung über dem zehnjährigen Durchschnitt. Bei der Ei-genheimförderung gab es mit 3.800 etwas mehr Zusicherungen als im Vorjahr, aber um -26% weniger als im zehnjährigen Durchschnitt und nur einen Bruchteil der Förderleistung der 1990er Jahre. Der Förderungs-durchsatz, also das Verhältnis von Förderungszusicherungen zu Baubewilligungen, der bis in die 2000er Jahre noch bei 80-90% lag, ist bei Geschoßwohnungen auf etwa 40%, bei Eigenheimen auf rund 20% gesunken. In mehreren Bundesländern hat die Eigenheimförderung ihre einstige Bedeutung fast gänz-lich verloren (Steiermark, Burgenland, Kärnten, Salzburg). Daraus resultieren einerseits ein verringerter öffentlicher Aufwand, andererseits der Verlust von Lenkungseffekten, beispielsweise hinsichtlich des Kli-maschutzes. Der Anteil an Förderfällen mit besonders hohem thermisch-energetischem Standard steigt kontinuierlich und erreicht mittlerweile über 40% aller Förderungszusicherungen im Neubau.
Sanierungen nur wegen Boom beim Heizungstausch positiv
Mit dem vorliegenden Berichtstandard Wohnbauförderung wird für die Dokumentation der Sanierungsför-derung auf Daten zurückgegriffen, die das Umweltbundesamt für das Klimaschutzministerium erhebt. Die Förderung der Wohnhaussanierung hatte 2009 einen Höchststand. Wurden damals noch rund 46.000 umfassende Sanierungen gefördert, waren es 2018 unter 15.000. Und so viele waren es auch 2022 noch. Ähnliche Rückgänge um rund zwei Drittel gab es auch bei geförderten Einzelbauteilmaßnahmen. Ein stark positiver Trend zeigt sich demgegenüber bei der geförderten Umstellung von Heizungssystemen. Ihre Zahl stieg von unter 14.000 (2017) auf zuletzt 52.000. Daraus resultiert eine geförderte Sanierungsrate von früher bis zu 1,9%, die ihren Tiefststand 2018 mit 0,6% erreichte und seither von sehr niedrigem Niveau aus wieder auf zuletzt 0,8% gestiegen ist. Bei Sanierungen ohne Förderung entwickelten sich in den letzten Jahren die umfassenden Sanierungen negativ, die Einzelbauteilmaßnahmen, v.a. der Hei-zungstausch, demgegenüber positiv. Zusammen lag die Sanierungsrate um das Jahr 2010 bei etwa 2,2%, sank danach bis 2015 auf ca. 1,5% und stagniert seither auf diesem Niveau. Zur Erreichung der Klimaziele ist ein rascher Anstieg auf 2,8% nötig.
Wohnbeihilfe verliert weiter an Stellenwert
Die Ausgaben der Länder für die Wohnbeihilfe sind seit 2010 rückläufig. Daran hat weder die Covid-Pandemie noch die aktuell hohe Inflation etwas geändert. Auch die Zahl der Wohnbeihilfe beziehen-den Haushalte ging 2022 weiter stark zurück. Einzelne Bundesländer bauen ihre Systeme aus, während andere Einschränkungen vornehmen.