Wissenschaftliche Begleitforschung zur Einführung von Nachbarschaftsgärten im Wiener GemeindebauDas Forschungsprojekt thematisiert die Möglichkeiten und Rahmenbedingungen für Gemeinschaftsgärten im Wiener Gemeindebau aufbauend auf die Erfahrungen im Nachbarschaftsgarten Roda-Roda-Gasse. Dieses Pilotprojekt im Oskar Helmer Hof im 21. Wiener Gemeindebezirk ist der erste Gemeinschaftsgarten in einem Wiener Gemeindebau. Auf einer zuvor ungenutzten Rasenfläche wurden eine Gemeinschaftsfläche und Beete geschaffen, die von 25 MieterInnen und deren Familien bewirtschaftet werden. Das Pilotprojekt wurde gefördert von Wiener Wohnen und MA 17 Integration und Diversität. Der Aufbau des Gartens und die Betreuung der GärtnerInnen erfolgte durch den Verein Wirbel.
NachbarschaftsgärtenNachbarschaftsgärten sind Orte, die einer Gruppe von interessierten BewohnerInnen eines Gemeindebaues die Möglichkeit eröffnen gemeinsam zu gärtnern. Über das Gärtnern kommen soziale Prozesse in Gang, die auf vielfältige Weise positive Auswirkungen auf die beteiligten Menschen, die Gartengemeinschaft und die gesamte Wohnhausanlage haben können. Der Garten mit seinen Anlässen und Möglichkeiten des Tätigwerdens bietet die Chance physischer wie auch sozialer Aneignung von Raum. In den letzten Jahren sind in Österreich viele Aktivitäten entstanden mit Projekten in mehreren Bundesländern mit sehr unterschiedlichen Schwerpunkten: Permakultur, interkultureller Dialog, Umweltbildung, Flüchtlingsbetreuung und ein Frauengarten. Einzelpersonen, Gruppen und Betreuungseinrichtungen setzen sich auch in Wien ein um Flächen zu finden und Nutzungsrechte eingeräumt zu bekommen. Um der Gemeinschaftsgartenidee in Wien zu einer breiteren Umsetzung zu verhelfen, ist ergänzend zur Eigeninitiative von GärtnerInnen eine top-down Strategie von Nöten. Neben dem politischen Willen, Gemeinschaftsgärten in Wien grundsätzlich zu unterstützen, kann erst durch Beratung, Betreuung sowie fachliche und finanzielle Unterstützung der Initiativen die Umsetzung neuer Gemeinschaftsgärten wirklich forciert werden.
Die Ergebnisse des Forschungsprojektes machen deutlich, dass ein Nachbarschaftsgarten vielfältige positive Effekte für die GärtnerInnen bewirkt und einen wichtigen Beitrag zur Nachbarschaft leistet. Ein Gemeinschaftgarten kann eine vorbeugende Wirkung in Bezug auf Konflikte in einer Wohnhausanlage haben, wenn Lernprozesse zum Miteinander über die GärtnerInnen als MultiplikatorInnen über den Garten hinaus wirksam werden.
Leitlinien für Nachbarschaftsgärten im GemeindebauIm Rahmen des Forschungsprojektes wurde ein Leitfaden für Nachbarschaftsgärten im Wiener Gemeindebau erarbeitet. Dieser Leitfaden basiert auf den Erfahrungen im Projekt Nachbarschaftsgarten Roda-Roda-Gasse in Wien Strebersdorf und Anregungen aus mehreren interkulturellen Gärten in Wien und Deutschland. Der Leitfaden stellt Rahmenbedingungen zusammen, die wichtig für das Gelingen eines Nachbarschaftsgartenprojektes sind, und bietet unterstützende Informationen für den Aufbau eines Gartenprojektes.
Nachbarschaftsgärten liegen bestimmte Grundprinzipien zugrunde. Manche haben sich in denen anderer Nachbarschaftsgärten bewährt und wurden auch in das Pilotprojekt Roda-Roda-Gasse vom Betreuungsteam eingebracht, andere haben sich im Laufe der ersten beiden Jahre aus der konkreten Praxis und den sozialen Prozessen in diesem Garten entwickelt. Folgende Grundprinzipien werden für Gartenprojekte im Gemeindebau vorgeschlagen:
- Sorgsamer Umgang mit Boden und Pflanzen - Ökologisches Gärtnern
- Achtsamer Umgang miteinander ist zentral für eine gute Gartengemeinschaft
- Jeder trägt etwas zum Garten bei, je nach ihren/seinen Möglichkeiten
- Gemeinschaftsflächen und -aufgaben haben große Bedeutung für das Miteinander
- Hinarbeiten auf Verständnis und Akzeptanz anderer Kulturen und Lebensweisen
- Förderung von egalitären Strukturen und Teilhabe an demokratischen Prozessen
- Selbstbestimmung der/des Einzelnen auf ihrem/seinem Beet
- Konflikte sind willkommene Gelegenheiten für Lernprozesse
Die Grundprinzipien sollten möglichst gut an alle vermittelt werden. Nur so können sich alle am Projekt beteiligen, sich ihren Raum aneignen und miteinander Commitments eingehen. Insbesondere zentrale AkteurInnen (z.B. Betreuung, Vereinsvorstand und Beirat) sollten diese Prinzipien weitertragen können. Grundsätzlich sollten Strukturen und Funktionen möglichst einfach und transparent sein, um unnötige Bürokratie zu verhindern und die Teilhabe möglichst einfach zu gestalten.