Baugemeinschaften in Wien. Potenzialabschätzung und RahmenbedingungenDie Studie befasst sich mit Wohnbauprojekten, die von den zukünftigen BewohnerInnen selbst (mit-)initiiert und mitgestaltet werden. Entscheidend für das Verständnis der Art von Projekten, die hier untersucht werden, ist die Mitbestimmung der BewohnerInnen bei der Entwicklung ihrer zukünftigen Wohnumgebung, von der Wohnung selbst bis zum Wohnhaus samt Gemeinschafts- und Gewerberäumen und zu privaten Außenflächen - und zwar die gemeinschaftliche Mitbestimmung. Aktuell haben Baugemeinschaften in einigen deutschen Städten Konjunktur. Eine direkte Übertragbarkeit der deutschen Konjunktur auf Österreich ist jedoch nicht gegeben. Allerdings sind die Gemeinsamkeiten nicht gering, sodass das Modell bei entsprechend günstigen Rahmenbedingungen höchstwahrscheinlich auch in Österreich und Wien Erfolg haben kann.
Schneeballbefragung Ein zentraler Teil der Studie ist die Erhebung des Baugemeinschafts-Potenzials in Wien. Diese Erhebung geschah einerseits mittels einer quantitativen Befragung und an-schließenden ExpertInneninterviews durch SORA und andererseits durch eine qualitative Telefonbefragung im Schneeballprinzip. Insgesamt konnten im Befragungszeitraum von Anfang März bis Anfang Juni 2009 17 Baugemeinschaften eruiert werden, die entweder gerade aktiv sind, in unmittelbar nächster Zeit aktiv werden wollen oder in der jüngsten Vergangenheit aktiv waren, aber mittlerweile auf-gegeben haben. Die Daten für alle Projekte wurden anonymisiert erhoben, mit Ausnahme der Informationen zu den Projekten in der Kategorie "bereits in Planung/Bau", die ohnehin weitgehend öffentlich bekannt sind.
Quantitative Befragung Im Rahmen der Studie wurde eine telefonische Befragung durchgeführt, die für die Wiener Wohnbevölkerung ab 18 Jahren repräsentativ ist. Es wurden 1.000 Personen zu ihrer Wohnzufriedenheit und ihren Umzugsabsichten sowie zu ihren grundsätzlichen Wünschen an das Wohnen befragt.
Der Anteil derjenigen, die Bekannte haben, die eine Baugemeinschaft planen oder einer Baugemeinschaft angehören, liegt bei 6%. Immerhin 60 von 1.000 Befragten kennen also Personen, die konkrete Baugemeinschaftspläne haben. Um längerfristige Prognosen zum Baugemeinschaftspotenzial in Wien machen zu können, ist das weite Baugemeinschaftspotenzial von Interesse. Das weite Baugemeinschaftspotenzial umfasst diejenigen Wienerinnen und Wiener, die einen Umzug planen und ein grundsätzliches Interesse an der Verwirklichung eines Baugruppenprojekts haben. 5% der Befragten können sich persönlich sehr vorstellen, gemeinsam mit Freunden oder Bekannten eine Baugemeinschaft zu gründen. Weitere 12% können sich dies ziemlich vorstellen. Überdurchschnittlich hoch sind diese Anteile bei der eher einkommensstarken, jungurbanen Bildungsschicht unter 40 Jahren.
Die wichtigsten Probleme von Baugemeinschaften sind der Zugang zu einem Grundstück bzw. Objekt, die fehlende Beratung, die Beschränkung auf einkommenshomogene Gruppen sowie die Frage der Anbotswohnung und der Wohnbauförderung insgesamt, die nicht für die Bedürfnisse von Baugemeinschaften ausgelegt ist.
Eine fördernde Baugemeinschaftspolitik in Wien hätte aus mehreren Gründen Vorteile:
- Urbanisierungseffekte für Stadterweiterungs- und Stadterneuerungsgebiete
- Mehr Selbstbestimmung und höhere Wohnzufriedenheit
- Erleichterungen im Alltag
- Innovation im System Wohnbau
Szenarien von Bebauungsformen für Baugemeinschaften in Wien sind die innerstädtische Baulückenverbauung, die Stadterweiterung mit urbanem Charakter (hohe Dichte), verdichteter Flachbau für Stadterweiterungsgebiete sowie moderate Nachverdichtung bei Siedlungen der Nachkriegsmoderne.
Hinter der Idee, Baugemeinschaften zu unterstützen, stehen im optimalen Fall strategische Überlegungen. Die Basis der Wiener Pläne liegt in der Chance, Baugemeinschaften als Integrations- und Urbanisierungskerne in Stadterweiterungsgebieten zu etablieren. Doch gibt es eine Reihe von stadtpolitischen Thematiken, die durch eine solche Politik ebenso gefördert werden können. Dabei handelt es sich etwa um Sozialpolitik, Umweltpolitik und Stadtentwicklungspolitik. Baugemeinschaften können legitimerweise als "Mittel zum Zweck" in machen Bereichen gesehen werden, allerdings sollten dann andererseits auch die Politik und die Verwaltungspraxis so angepasst werden, dass Baugemeinschaften erfolgreich umgesetzt werden können.
Städtische Wohnungsbestände entsprechen nicht immer optimal der Nachfrage in einer Stadt, dies betrifft etwa junge Familien, Kreative und, aufgrund demographischer Entwicklungen, ältere Menschen. Hier können Baugemeinschaften eine Angebotslücke füllen. Insbesondere sind sie ein wertvolles Mittel, um Wohnangebote für junge Familien zu schaffen, die sonst dem Zug in den "Speckgürtel" der Städte folgen, und somit SteuerzahlerInnen in der Stadt zu halten.
Andererseits bedeutet eine solche strategische Betrachtungsweise aber auch, dass all die Punkte in der Stadtverwaltung und -politik gesehen werden sollten, die Hindernisse für die Entwicklung von Baugemeinschaften darstellen. Dazu zählen beispielsweise die Modalitäten städtischer Grundstücksvergabe und die Anforderungen der Wohnbauförderung.
Empfohlene Maßnahmen zur Unterstützung von Baugemeinschaften in Wien Baugemeinschafts-Unterstützung Stufe 1
- Bekenntnis zur Unterstützung von Baugemeinschaften
- Grundstücksvergabe
- Beratung, Vertretung in der Verwaltung
- Öffentlichkeitsarbeit für Interessierte
- Förderung der Vernetzung und Dokumentation
- Kompetenzaufbau für BetreuerInnen
- Weitere Forschung
- Unterstützung der Kooperation mit Bauträgern
Baugemeinschafts-Unterstützung Stufe 2
- Stadtentwicklung durch Baugemeinschaften
- Anpassung der Förderbedingungen
- Unterstützung des Aufbaus einer Dachgenossenschaft
- Förderung der Mieterselbstverwaltung und von Mietergemeinschaften